Europas Regierungen weichen Datenschutz auf

 

Die Europäische Union hat sich vorgenommen, die noch aus "vor-digitaler" Zeit stammenden Datenschutzbestimmungen zu überarbeiten. Was vielversprechend begann – die Kommission (EK) hatte Anfang 2012 einen ambitionierten Reformvorschlag vorgelegt, der im EU-Parlament (EP) weitgehende Unterstützung fand – droht nun aber von Seiten der Mitgliedsstaaten (MS) so weit ausgehöhlt zu werden, dass nur mehr eine leere Hülle überbleibt.

Das geht aus dem Protokoll der zuständigen Ratsarbeitsgruppe "Dapix" hervor. Einige Regierungen versuchen offenbar, elementare Datenschutz-Grundprinzipien aufzuweichen. Vor allem Deutschland wird vorgeworfen, "Schutzniveaus absenken" zu wollen und "bewusst weichzuspülen".

Zentralen Datenschutz-Grundprinzipien geht es an den Kragen

Besonders problematisch sehen Experten die angepeilte Aufweichung der Zweckbindung und die Abkehr vom Prinzip der Datensparsamkeit. Damit könnten die von den Nutzern gesammelten personenbezogenen Daten weit über den ursprünglichen Zweck (beispielsweise der Abrechnung) genutzt und das Gebot der Beschränkung der Datensammlung auf das absolut Notwendige aufgehoben werden. Banken, Versicherungen und die Werbewirtschaft dürften dann Kundendaten zu kommerziellen Zwecken nutzen.

Auch war ursprünglich vorgesehen, dass Webseitenbetreiber für die Sammlung von Informationen über ihre Nutzer eine "informierte Zustimmung" einholen müssen. Nun wurde der Vorschlag eingebracht, dass ein Betreiber von einer Einwilligung der Nutzer ausgehen darf, wenn sie die entsprechenden Voreinstellungen im Browser nicht aktiv geändert haben. Ja sogar, wenn der Betreiber die Nutzungsbedingungen nachträglich ändert – wie es beispielsweise bei Facebook laufend der Fall ist – und der User nicht erneut aktiv widerspricht, soll dies als Zustimmung zu Tracking und Profiling angesehen werden.

Darüber hinaus wurden in der Dapix-Gruppe noch zahlreiche andere Bestimmungen diskutiert, die dem Verbraucherschutz zuwiderlaufen und dubiose Geschäftsmodelle legalisieren würden. So sollen keine Verbands- und Sammelklagen zulässig sein und die Strafzahlungen bei Verstößen so weit gedrückt werden, so dass sie keine abschreckende Wirkung mehr entfalten können.

Österreich engagiert sich für strengere Regeln, Deutschland bremst

Während sich Deutschland aber zugunsten der Internetindustrie und für eine weitgehende und ungehinderte Datensammelei engagiert, hat Österreich zahlreiche Vorbehalte eingebracht und setzt sich im Ministerrat offenbar für höhere Datenschutzstandards ein. Welche Standpunkte sich letztlich durchsetzen werden, wird vermutlich schon die Abstimmung im EU-Ministerrat vom 13. März zeigen.

Unter Datenschützern ist die Empörung jedenfalls groß, manche Vorschläge würden nicht einmal mehr einer Überprüfung auf die Einhaltung der EU-Grundrechte standhalten, kritisiert etwa die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi).

Die gesamte Reform steht auf dem Spiel

Auch der im EP zuständige Berichterstatter Jan Philipp Albrecht zeigt sich erschüttert über die bekannt gewordenen Pläne. Mit der Aufweichung zentraler Datenschutzprinzipien wie Zweckbindung und Datensparsamkeit hätten die Regierungen die rote Linie des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission eindeutig überschritten, so der Abgeordnete. Sollten sollten die Mitgliedsländer ihre Position nicht korrigieren, würden sie das komplette Scheitern der dringend notwendigen Reform riskieren.

Dabei drängt die Zeit. Die MS haben die Diskussion so lange verschleppt, dass es nun eng wird. Bis Jahresende soll aber die Reform des Datenschutzes unter Dach und Fach sein. So mancher fürchtet, dass der Zeitdruck ausgenützt werden soll, um Standpunkte durchzudrücken, die einer intensiveren Prüfung nicht standhalten würden.